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Praxisleitfaden Wolf verabschiedet

(M)ein Kommentar zum „Praxisleitfaden Wolf“:

Gestern wurde auf der Umweltministerkonferenz der „Praxisleitfaden Wolf“ verabschiedet, der die bundesweit einheitlich rechtssichere Entnahme von Wölfen in Deutschland erleichtern soll. Mir sind bei Durchlesen einige Dinge aufgefallen, die ich im Einzelnen weiter unten kurz anreißen möchte.

Zum Punkt 3.2.1. Vergrämung bei Übergriffen auf Nutztiere

„Eine aktive Vergrämung (mit Gummigeschossen o.ä.; passive Vergrämungsmaßnahmen wie stromführende Zäune und Herdenschutzhunden sind hier nicht gemeint) des – für wiederholte Nutztierübergriffe verantwortlichen – Wolfes kommt nach derzeitigen Erkenntnissen bei Nutztierübergriffen als zumutbare Alternative zur letalen Entnahme in der Regel nicht in Betracht, ist aber weiterhin Teil der Forschung zu alternativen Lösungen.“

  • Bei Nutztieren wird nicht versucht zu vergrämen

Zu Abschnitt D Punkt 1.1. (gegenüber Menschen auffälliges Wolfsverhalten), hier 1.1.4. Vergrämung als Alternative zur Entnahme

„Vor Durchführung eines Abschusses ist zunächst zu prüfen, ob eine Vergrämung erfolgversprechend ist und damit als zumutbare Alternative in Betracht kommt. Die Vergrämung kann erleichtert werden, wenn das betreffende Tier zuvor besendert wurde. Der Erkenntnisstand in Deutschland zur Vergrämung von Wölfen ist bisher gering, da es bislang nur einzelne Fälle gab, die es erforderlich machten, Vergrämungsmaßnahmen zu prüfen oder durchzuführen. Eine Vergrämung kommt nur in bestimmten, eng definierten Fällen in Betracht.“

  • Bei auffälligem Verhalten Menschen gegenüber wird es zumindest als Alternative in Betracht gezogen

Zu Punkt 3.3. keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes

„Auch im Falle eines ungünstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht von vornherein ausgeschlossen. In diesem Fall ist sachgemäß nachzuweisen, dass die Ausnahmen weder den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen weiter verschlechtern noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands behindern, also artenschutzrechtlich neutral sind.“

  • Wir machen es nicht schlimmer, also ist es in Ordnung?

Zu Punkt 4.2. Elterntierschutz

„Ist die Entnahme beider Elternteile oder einer laktierenden Fähe in besonderen Ausnahmefällen erforderlich, so ist sicherzustellen, dass die zugehörigen Welpen, soweit sie nicht überlebensfähig sind, gefangen oder entnommen worden sind. Bei Welpen bis zu einem Alter von drei Monaten könnte eine anschließende Unterbringung in einem Gehege noch als vertretbar eingeschätzt werden. Soweit die Welpen entnommen werden sollen, ist vor der Entnahme der Elterntiere durch geeignete Monitoringmethoden sicherzustellen, dass alle Welpen entnommen worden sind. Dies gilt auch, wenn die Welpen gefangen werden sollen.
Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen der Erteilung der Entnahmeerlaubnis zu prüfen. Regelt eine erteile Entnahmeerlaubnis dazu nichts, können Personen, die eine Entnahme von Wölfen durchführen, davon ausgehen, dass der Entnahme des Wolfes oder der Wölfe tierschutzrechtliche Belange nicht entgegenstehen. Dies gilt nicht, wenn sich den Personen, die eine Entnahme von Wölfen durchführen, die Berücksichtigung tierschutzrechtlicher Belange im konkreten Fall aufdrängen muss.
Da es regelmäßig einem Elterntier alleine gelingt, die Welpen zu versorgen, kann nach Beendigung der Laktationsphase die Entnahme auch von weiblichen Elterntieren dann zugelassen werden, wenn ein Elterntier zur Aufzucht von Jungen verbleibt. Durch geeignete Monitoringmethoden ist vor der Entnahme der Nachweis zu bringen, dass das zu verbleibende Elterntier auch tatsächlich im Revier zur weiteren Aufzucht der Welpen verweilt.“

  • Welpen töten? Rudelstrukturen zerstören? Ernsthaft?

(Kommentar dazu: wahrscheinlich steigende Nutztierrisse an ungenügend geschützten Herden werden billigend in Kauf genommen und ethische Bedenken bzgl. der Tötung von Welpen über Bord geworfen)

Zu Punkt 5.1.5. Nebenbestimmungen

„Einsatz von Nachtzieltechnik (Restlichtverstärker):
Für die zielgerichtete letale Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf aus der Natur kann z. B. die Verwendung von Visiervorrichtungen für das Schießen bei Nacht mit elektronischen Bildverstärkern oder Bildumwandlern gestattet werden.“

  • Sonst nur zur Jagd auf Schwarzwild gestattet (also generell verboten), hier „kann gestattet werden“

Meiner Meinung nach ist durch diesen Leitfaden das Ziel, Wölfe entnehmen ohne am strengen EU-Schutzstatus derzeit etwas ändern zu können, leider klar erkennbar.

Ob das durch diesen Leitfaden rechtssicherer wird, wage ich zu bezweifeln. Die Rechtskonformität werden Gerichte, auch in Bezug auf die neu eingefügten und geänderten Paragraphen (§45 und §45a) des Bundesnaturschutzgesetzes, prüfen (Klagen dagegen sind anhängig).

Hier der Wortlaut des Praxisleitfadens.

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